Wie Alles begann

Tagesspiegel Steffi Pyanoe Januar 2014

Landeshauptstadt: Singen ohne Berührungsängste

 Viele Chöre gibt es in Potsdam, aber dieser soll einzigartig werden. Im Generationenchor Potsdam sollen Jugendliche, junge Erwachsene und Senioren miteinander singen. „Wir suchen Euch“ steht auf den Plakaten, die zum Gründungstreffen der neuen Singgemeinschaft aufrufen. Das findet am kommenden Donnerstag, dem 16. Januar, im Waschhaus statt.

Die Idee zu dem Projekt hatten vier Studenten der Potsdamer Fachhochschule. Sie studieren alle im dritten Semester und absolvieren gerade den Kurs Projektarbeit innerhalb ihres Studienfachs Kulturarbeit. Dabei gab es die Hausaufgabe, ein ganz reales Kulturprojekt durchzuführen. „Zunächst haben wir am Konzept gefeilt, und das wollen wir jetzt auch umsetzen“, sagt Christian Leonhardt bei einem Treffen der vier Organisatoren. Weil sie alle so begeistert und überzeugt sind von ihrer Idee, ist das Projekt mittlerweile größer und umfangreicher geworden, als es für den Kurs nötig wäre, sagt er. Fünf Monate soll die Probenphase dauern, die mit mindestens einem öffentlichen Konzert endet. Das soll am 12. Juli im Treffpunkt Freizeit stattfinden.

In der Vorbereitungsphase haben die vier Studenten – Thomas Lindner und Anh Thu Tran, beide 29 Jahre alt, Natascha Christmann, 25 Jahre alt, und der 26-jährige Christian Leonhardt – viele Potsdamer Chöre, von der Singakademie bis hin zum Männerchor, besucht und dort für ihr Vorhaben geworben. Bisher haben etwa 40 Sänger der Generation Senioren sowie zehn Jugendliche zugesagt. Was gesungen wird, entscheiden die Chormitglieder selbst, jeder darf Vorschläge machen. „Von Rock bis Volkslied, wir sind da ganz offen“, sagt Leonhardt. Eine Dame habe beispielsweise „Die Gedanken sind frei“ vorgeschlagen. „Sie arbeitet mit Demenzkranken, das Lied erlaubt in diesem Zusammenhang eine ganz andere Auslegung“, sagt Thomas Lindner, der während seines Zivildienstes mit älteren Menschen zu tun hatte.

Am 23. Januar findet ein Kennenlerntreffen statt, dann werden auch die Lieder ausgesucht. Ab 13. Februar wird wöchentlich geprobt. Selbstverständlich darf man auch noch zu Beginn der Probenzeit dazukommen. Die Proben, immer donnerstags von 17 bis 19 Uhr, finden im Waschhaus-Kesselhaus statt, das sie mietfrei nutzen können. Chorleiter Simon Theisen aus Brandenburg an der Havel haben sie über eine Ausschreibung gefunden. Wer mitsingen will, sollte am besten schon über etwas musikalische Vorbildung verfügen.

Doch es geht ihnen bei all dem nicht nur um das gemeinsame Singen. Es geht darum, sich zu begegnen. „Wir wollen, dass junge und alte Menschen über die Musik zueinanderfinden, das ist ja im Grunde ein soziales Projekt“, sagt Natascha Christmann. Diese beiden Generationen seien die, die im Alltag am wenigsten Kontakt zueinander haben.

In der Pause ist Zeit zum Quatschen, auch angeleitete Gesprächsrunden soll es geben. Außerdem wird das Projekt filmisch begleitet, ein Bericht angefertigt und anschließend ausgewertet – gemeinsam mit Hermann Voesgen, Professor für Kulturarbeit an der Fachhochschule. „Und wer weiß, vielleicht wird es ja so toll, dass wir weitermachen oder andere zu ähnlichen Projekten inspirieren“, so Leonhardt.

Einer hat bereits großes Interesse gezeigt. Sozialminister Günter Baaske (SPD) konnten sie als Schirmherren gewinnen, er will auch bei der Auftaktveranstaltung dabei sein. Vielleicht bringt der Promifaktor auch Glück für den Antrag auf Projektfördermittel, den die Organisatoren bei der Stadt stellten. Gibt es keine Fördermittel, müssen sie Spenden sammeln. Das Geld brauchen sie für Noten, Flyer, Technik. Auch ein E-Piano brauchen sie noch, denn im Waschhaus gibt es kein Klavier. Vor allem aber wollen sie Chorleiter und Korrepetitor halbwegs angemessen für deren Arbeit bezahlen können. „Wir studieren schließlich Kulturarbeit, wir wissen, dass sich das gehört“, sagt Leonhardt. Die Teilnahme am Projekt ist kostenlos.

Bilder aus 2014

Konzert Treffpunkt Freizeit, Freude danach, am Ministerium, am Waschhaus Potsdam

 Bericht Deutschlandfunk Kultur

Marian Billing 28.10.2015

Der Generationenchor Potsdam ist ein noch junger Chor, der sich im Januar 2014 gegründet hat. Er entstand aus der Idee heraus, dass Musik verbindet. Und so singen hier junge und alte Menschen zusammen, die 40 Sängerinnen und Sänger sind zwischen 14 und 60 Jahren alt.

 Gesungen werden alte Volkslieder ebenso wie Songs von Hannes Wader bis Tim Bendzko. Der bisherige Höhepunkt im Chorleben liegt kaum einen Monat zurück. Da trat der Generationenchor auf dem Bürgerfest des Bundespräsidenten auf.

Singen ist gesund, Singen macht Spaß und Singen verbindet! In unserer Reihe „Chor der Woche“ geben wir einem Chor die Möglichkeit sich selbst mit einigen Informationen und Liedern vorzustellen.

Interview PNN 2024

von Elvira Minack

© Ottmar Winter PNN

Heute gehören dem Chor 38 Mitglieder an. Die jüngste Sängerin ist 27 Jahre alt. Der Älteste zählt 84 Jahre. Frauen und damit Sopranstimmen sind in der Überzahl. Sie alle eint die Freude am gemeinsamen Singen. Renate Ferdinand zum Beispiel hatte sich fest vorgenommen, nach dem Ende des Berufslebens im Chor zu singen. Elke Ziemer erzählt, sie sei in Zittau sozusagen singend aufgewachsen, hätte viele Jahre dann nicht mehr gesungen und schon befürchtet, sie könne es nicht mehr. Seit Januar 2023 gehört sie zum Chor und weiß jetzt, dass sie singen kann.
In den zehn Jahren des Bestehens ist der Chor auf zahlreichen kulturellen Veranstaltungen der Stadt Potsdam aufgetreten. Der Höhepunkt des Chorlebens, so Freund, sei 2015 der Auftritt beim Bürgerfest beim damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck gewesen. Während und nach der Pandemie seien die Konzerte weniger geworden. Nur einen Auftritt hat das Ensemble im Jahr 2023 gehabt.
Sängerin Ramona Diering macht zwar deutlich, dass für sie das gemeinsame Singen das Schöne am Chor sei: „Auftritte fehlen mir nicht. Sie sind eher ein Bonus für mich.“ Doch natürlich eint alle der Wunsch, öffentlich zu zeigen, was man unter Chorleiterin Nicolette Richter erarbeitet hat. „Wir können singen, aber Öffentlichkeitsarbeit und Marketing sind nicht unsere Stärke. Wir müssen uns im elften Jahr unbedingt besser vernetzen, auch mal Klinken putzen gehen.“
Das Jubiläum werden die Sänger nicht groß feiern. Der Gründungstag selbst ist ein normaler Probentag. Da stoße man sicher mit einem Glas Wein an. 
Die Geburtstagswünsche der Chormitglieder sind ganz bescheiden. „Wir möchten wieder ein wirklicher Generationenchor werden. Dafür suchen wir dringend Sänger und Sängerinnen um die 30.“ Wenn unter den Jungen dann noch jemand mit Erfahrungen und Interesse an Öffentlichkeitsarbeit und sozialen Medien wäre – das wäre ein doppelter Gewinn.